WordPress, das Web und das Klima

Heute ist globaler Klimastreik, überall auf der Welt und an über 500 Orten in Deutschland. Ich beschäftige mich seit einigen Monaten mit dem Problem des Klimawandels, bin heute aber leider im Urlaub. Also habe ich statt Streik einen kleinen Blog-Post vorbereitet:

Der menschengemachte Klimawandel ist real. Und wir alle sind Teil des Problems. In einem Jahr, in dem wir in Europa gleich mehrere Hitzerekorde gebrochen und stellenweise mit heftigen Waldbränden und Trockenheit zu kämpfen haben, möchte ich auf solche solch triviale Aussagen eigentlich keine Zeit verschwenden, einigen wenigen hartnäckigen Klimaleugnern zum Trotz.

Wer über die selbst verursachten Klimaschäden nachdenkt, wird schnell Flugreisen, großen Wohnungen, Autos oder Fleischkonsum auf der Liste haben. Doch einen vergleichsweise großen Faktor übersehen wir nur all zu leicht: das Internet.

Was hat das mit mir zu tun?

Bei jedem Website-Aufruf werden schlafende Rechner geweckt, Daten übertragen und Prozessoren beansprucht. Und das sowohl irgendwo „im Internet“ als auch auf meinem Schreibtisch.

Auf den Betrieb des Internets entfallen bereits heute knappe 10% des jährlichen globalen Energieverbrauchs. Bis 2030 dürfte dieser Wert auf über 20% steigen. Besonders vor dem Hintergrund, dass ein größerer Teil dieser Energie aus nicht erneuerbarer Kohleverstromung gewonnen wird, macht diese Zahlen zum Problem.

Ähnlich wie in vielen anderen Bereichen haben wir auch was das Internet angeht nötige Verbesserungen zu lange verschlafen. Es ist höchste Zeit, das große Problem dieses Jahrhunderts anzugehen um das Weltklima zumindest halbwegs stabil zu halten.

Die Probleme rund um das Klima sind ebenso vielfältig wie ihre Folgen. Daher möchte ich mich im Weiteren vor allem mit einem Thema beschäftigen: dem CO₂-Ausstoß von Websites.

Ein Drittel des Webs

Das Internet – oder genauer gesagt, das Web – ist keine monolithische Struktur, sondern setzt sich aus einem bunten Flickenteppich verschiedener Dienste und Angebote zusammen. Die großen Player wie Amazon, Google oder Facebook haben selbstverständlich einen großen Hebel was schnelle Veränderungen angeht. Das „freie“ Web, ist in einigen Punkten deutlich behäbiger. Fortschritt, Verbesserung und Weiterentwicklung verbreiten sich wesentlich langsamer.

Aber auch im freien Web gibt es einige größere Player. Und wie der Zufall so will, arbeite ich seit über einem Jahrzehnt mit einem Open-Source-Projekt, das für ein Drittel des Webs verantwortlich zeichnet. Die Rede ist selbstverständlich vom Content-Management-System WordPress.

Es dürfte also niemanden wirklich überraschen, dass ich nach eingehender Betrachtung des Problems überlegt habe, was wir tun müssen, um WordPress und damit ein Drittel des Webs klimafreundlicher zu machen. Es gilt, einem Trend immer komplexerer und überfrachteter Websites entgegenzutreten.

Die gute Nachricht ist, dass dafür im Grunde keine technischen Lösungen mehr gefunden werden müssen. Wir halten alle Werkzeuge für klimafreundliche Websites bereits in den Händen, wir müssen nur endlich konsequent darin sein, sie zu nutzen.

Was jetzt zu tun ist

Auf der globalen Ebene wird es Zeit für eine gemeinsame Anstrengung der Community. Wir müssen Performance und Effizienz (und damit Ressourcen-Effizienz) in den Fokus unserer Aufmerksamkeit rücken. Jedes Feature, das in den WordPress-Core wandert, sollte genau so auf diese Faktoren überprüft werden, wie heute auf Barrierefreiheit.

Gleiches gilt selbstverständlich für Themes und Plugins. Wir dürfen nicht länger hinnehmen, dass Entwicklerinnen und Entwickler unnötige (und wirklich lächerliche) Mengen Daten übertragen um simpelste Funktionen und Designs zu realisieren. Einfachheit und Eleganz müssen in unserer Wahrnehmung einen deutlich höheren Stellenwert einnehmen und Themes, die es nicht schaffen, Gewicht zu reduzieren und so ihre negativen Folgen für das Klima abzumildern, müssen über kurz oder lang vom Markt verschwinden.

Es ist ebenso problematisch wie einfach so drastische Schritte von einer ganzen Industrie zu fordern. Und genau hier stellt sich die Frage, ob und wie man so einen Prozess unterstützen kann. Um das Bild der Barrierefreiheit zu bemühen: im Rahmen des WordPress-Projekts haben wir ein Accessibility-Team (kurz a11y) in dem Freiwillige mit unfassbarem Fachwissen den Weg des Gesamt-Projekts begleiten und versuchen, beratend tätig zu sein. Warum also leisten wir uns nicht auch ein Sustainability-Team (s12y), das dieselben Aufgaben im Bereich der Nachhaltigkeit übernimmt?

Was wir alle tun können

Aber wir müssen nicht auf (politische) Veränderungen warten, wir alle können genau jetzt etwas tun. Vorkenntnisse sind dafür quasi nicht nötig, aber die verschiedenen Sofortmaßnahmen lassen sich danach etwas abstufen.

Auf websitecarbon.com kann, ähnlich einem Speedtest, einfach eine beliebige URL auf ihren CO₂-Ausstoß hin getestet werden. Das Tool ermittelt den angenommenen Ausstoß auf Basis der Menge der übertragenen Daten und kann diese (wenn vorhanden) mit der Anzahl der Seitenaufrufe multiplizieren. Das ist ein hervorragender Ausgangspunkt um die Effektivität aller folgenden Schritte zu bewerten.

Ohne Vorkenntnisse in Programmierung können wir uns alle unsere Websites betrachten und unnötigen Ballast abwerfen. Muss auf dieser Seite wirklich eine Google Map geladen werden? Ist diese Bildergalerie wirklich nötig? Wer braucht eigentlich dieses Plugin hier? Nicht falsch verstehen, ich will nicht dazu animieren, dass Web zu einer reinen Textwüste zu machen, ich will viel mehr dazu anregen, Bestehendes zu hinterfragen und gegebenen Falls zu entfernen, was eigentlich nicht nötig ist.

Wer eigene Plugins und Themes entwickelt (oder entwickeln lässt), kann noch mehr tun. Genutzter Code kann in vielen Fällen vereinfacht, alte Code-Bibliotheken aktualisiert oder ganz entfernt werden. Jedes Byte, das nicht übertragen wird, spart Ressourcen. Ganz nebenbei werden unsere Websites dadurch schneller, was nicht nur die Besucherinnen und Besucher freut, sondern auch Google.

Wer eigene Plugins und Themes vertreibt, verstärkt diesen Effekt sogar noch weiter. Wird Code auf mehr Seiten eingesetzt, vergrößert sich fast automatisch die Anzahl der Aufrufe, in denen der Code an Besucher (oder Bots) übermittelt wird.

Diese Liste lässt sich fast beliebig erweitern und ich würde mich in den Kommentaren über weiteren Input zum Thema freuen.

Was ich persönlich tue

Nun bin ich in der bequemen Lage, dass meine Seiten schon länger auf Performance (und damit automatisch auf Resourcen-Sparsamkeit) optimiert sind.

Deshalb verwende ich meine Zeit darauf, Vorträge zum Thema zu halten – zuletzt auf dem WordCamp Zürich, in Kürze auf WordPress-Meetups in Leipzig, Bonn, Koblenz und München.

Außerdem stecke ich aktuell viel Zeit in das WordCamp Stuttgart, dass vom 8. bis 10. November stattfinden wird. Unser Orga-Team arbeitet hart daran, das gesamte Event so nachhaltig wie möglich durchzuführen und das Thema Nachhaltigkeit auch in den Vorträgen aufzugreifen.

Was tust du, um deine Website klimafreundlicher zu machen? Ich freue mich auf Kommentare.